Ludothek Baar zelebriert 30 Jahre Spielkultur
21.05.2025 GesellschaftIm Gemeindesaal Baar wurde am Mittwoch, 7. Mai gespielt, getöggelt und gelacht. Das Jubiläumsfest der Ludothek offen barte: Viele Baarer sehnen sich nach «greifbaren» Erlebnissen.
DANIELA GERER
Gross und Klein waren an diesem Spielenachmittag der Einladung der Ludothek gefolgt, die Konzepte neuer wie bewährter Gesellschaftsspiele kennenzulernen. Wer die Regeln nicht kannte, dem wurden sie geduldig erklärt von den Expertinnen und Experten der Spielbude Zug, welche die Ludothek eigens für diesen Anlass engagiert hatte. Aus den über 2’800 verfügbaren Spielen hatte das fünfköpfige Organisationsteam eine feine Auswahl getroffen: von Klassikern wie Brändi Dog über neue «räuberische» Kartenspiele bis hin zu actionreichen 3D-Aufbauten – für alle war etwas dabei. Vor allem wurde deutlich, wie gut analoges Spielen gegen digitale Vereinsamung wirken kann.
Das Comeback des Gemeinsamen
«Ich habe den Eindruck, dass gerade junge Menschen wieder vermehrt sagen: Wir spielen jetzt mal ohne Bildschirm», beobachtet Renate Stadelmann, Leiterin der Ludothek. Diese Renaissance zeigt sich in beeindruckenden Zahlen: 14’706 Ausleihen verzeichnete die Institution 2024, das sind 1’300 mehr als noch zwei Jahre zuvor.
Auch der Jubiläumsnachmittag war sehr gut besucht. Ab 13.30 Uhr tummelten sich zahlreiche junge Menschen an den verschiedenen Stationen innerhalb und ausserhalb des Hauptsaals. «Wir haben in den Schulen sowie in der Ludothek viel Werbung für unser Töggeliturnier gemacht», erklärte Stadelmann den Andrang an den Spieltischen. In einer gemütlichen Ecke spielten die Kleinsten, während bei der Glitzertattoo-Station kunstvolle Motive auf Kinderarme gezaubert wurden. Mit einem beeindruckenden Kuchen-Buffet war auch für das leibliche Wohl gesorgt. So fühlte sich das Jubiläumsspieleparadies insgesamt anregend und gemütlich zugleich an.
Die Evolution des Spielens
Wer sich über die erstaunliche Komplexität moderner Gesellschaftsspiele wunderte, der wurde im Gespräch mit Yves Hess von der Spielbude Zug, die 20 Ludotheken in der Region weiterbildet, aufgeklärt: «Früher hatte ein Spiel meist nur einen Autor. Heute arbeiten ganze Entwicklerteams an einem einzigen Titel.» Über 1’000 neue Spiele pro Jahr produziere die Branche mittlerweile. Im Gespräch mit den anwesenden Eltern und Ludothek-Mitarbeiterinnen kamen auch gesellschaftspolitische Aspekte des Spieleverleihs zum Vorschein. «Das Tolle an der Ludothek ist die Nachhaltigkeit», unterstrich Daniela Steiger, die unter anderem für die saisonalen Dekorationen in den Verleihräumlichkeiten verantwortlich zeichnet. Das Prinzip überzeuge durch seine Einfachheit: «Familien können neue Spiele erst einmal ausprobieren. Und besonders laute Spielsachen, die irgendwann nerven, gibt man einfach wieder zurück», schmunzelte sie. Dies entspreche auch unserem Zeitgeist, denn Besitz zähle bei vielen mittlerweile weniger als das Sammeln von Erfahrungen.
«Zudem werden alle Spiele innerhalb der Schweiz erworben», betonte Daniela Imfeld, die für den Spieleeinkauf zuständig ist. Um die neuesten Trends zu entdecken, nähmen die Mitarbeiterinnen der Ludothek mehrmals jährlich an Schulungen teil. Danach werde im Team besprochen, welche Neuheiten aufgenommen werden. «Von Vorteil ist es, wenn das Spielmaterial langlebig ist, also nicht zu schnell kaputtgeht», erklärte Imfeld. «Da das Ludothek-Team selbst äusserst spielbegeistert ist, führen wir auch ein breites Spielesortiment für Erwachsene, das Spiele-Fans aus der ganzen Region anzieht.»
Generationenbiografien im Spielregal
Ein besonders faszinierender Aspekt der Ludothek liegt darin, wie sie Familiengeschichten über Generationen hinweg mitschreibt: «Erst kommen Kinder mit ihren Eltern, später allein oder auch mal gar nicht, dann als ältere Jugendliche wieder. Irgendwann bringen die ehemaligen Kinder ihre eigenen Kinder mit, und die Grosseltern kommen mit den Enkeln. Das ist wirklich schön», beschrieb Imfeld den Generationenkreislauf. Die Ludothek funktioniert also wie ein Familienalbum der besonderen Art, nur dass hier statt Fotos gemeinsame Spielerlebnisse die Seiten füllen.
Um 17 Uhr neigte sich dann der Spielenachmittag seinem Ende zu. Die Töggeliturniersieger waren längst gekürt, das Kuchenbuffet geplündert, die letzten Glitzertattoos verteilt. Doch in der Ludothek hat es sich keineswegs ausgespielt. Nach 30 Jahren kann man sagen, dass sie mehr als nur eine Ausleihstelle ist. Wie ein Spiegel für gesellschaftliche Befindlichkeiten zeigt sie eindrücklich, wie wichtig «analoge» Begegnungen und gemeinsame Erlebnisse in einer zunehmend fragmentierten Welt bleiben.