Lange Wartezeiten, kein Grund zur Sorge
23.04.2025 GesellschaftIm Herbst 2023 ist die Augenärztin Anita Hürlimann überraschend verstorben. Ehemalige Patienten haben Mühe, an ihre Dossiers zu kommen. E-Mails bleiben lange unbeantwortet. Was können Betroffene tun?
ANNETTE KNÜSEL
«Es hat ewig gedauert, aber zum Schluss hat meine Mutter das Dossier erhalten.» So fasst Daniel L. seine Erfahrungen zusammen. Anfang Dezember 2024 hatte seine betagte Mutter ihn um Hilfe gebeten. Insgesamt viermal hat er die Praxis an der Bahnhofstrasse angeschrieben. Beim ersten Mal kam keine Antwort, beim zweiten Mal wurde die Zusendung des Dossiers zugesichert, nach der vierten E-Mail schliesslich trafen die Unterlagen bei der Mutter ein.
Eine andere Baarerin (Name ist der Redaktion bekannt) schildert die gleichen Probleme: Obwohl die ganze Familie bei Hürlimann in Behandlung war, hat sie nur per Zufall vom Tod der Ärztin erfahren. Dann benötigte sie die immerhin schon zehnjährige Krankengeschichte ihrer Tochter. Doch einen Monat lang bekam sie auf ihre E-Mails an die Praxis Hürlimann keine Antwort. Inzwischen hat sie erste Unterlagen erhalten. Der Rest, so der anonyme E-Mail-Schreiber der Praxis, soll bald folgen.
Das grosse Schweigen irritiert
Bei der Suche nach den Ursachen dieser Situation trifft man auf viel Schweigen: Eine Anfrage an die Praxis Hürlimann bleibt unbeantwortet. Eine befragte Augenärztin will nicht mehr zitiert werden. Eine Anfrage an die zuständige Behörde – die Gesundheitsdirektion – wird mit freundlichen Allgemeinplätzen abgetan, eine zweite bleibt bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Die Auskunft der Gesundheitsdirektion ist im Wesentlichen: Der Erbe der verstorbenen Ärztin sei beauftragt, die Praxis aufzulösen. Alles verlaufe gemäss der gesetzlichen Regelung.
Patientendossier ist Eigentum der Patienten
Die gesetzliche Regelung bezüglich der Dossiers ist wie folgt: Grundsätzlich ist das Dossier Eigentum des Patienten. Aber aufbewahrt wird es bei Ärzten, und diese unterliegen strengen Regeln. Susanne Gedamke, Geschäftsführerin der SPO Patientenorganisation, beschreibt es so: «Beim Tod eines Arztes wird dessen Praxis Teil des Nachlasses. Die Verantwortung für die Patientendossiers geht auf die Erben über. Die Erben sind verpflichtet, die ärztliche Schweigepflicht zu wahren und die Dossiers ordnungsgemäss aufzubewahren – in der Regel für mindestens zehn Jahre ab dem letzten Kontakt, gemäss Art. 10 der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV).» Auch die Weitergabe an einen anderen Arzt sei nur mit Einverständnis der Patienten möglich. Um die Dossiers an die Patienten selbst zu übergeben, brauchen die Erben ebenfalls eine medizinische Fachperson, idealerweise einen Arzt.
Was können Betroffene tun?
Was ist nun der beste Weg zum eigenen Patientendossier aus der Praxis Hürlimann? Es bleibt unklar, wer sich dort um die Aushändigung der Patientendossiers kümmert. Klar ist, dass die E-Mail-Adresse auf der Website der Praxis Hürlimann die einzige Kontaktstelle ist. Ein Augenarzt, der nicht genannt werden möchte, ist zuversichtlich, dass jeder Patient sein Dossier erhalten wird. «Ich habe noch nicht gehört, dass es jemand nicht bekommen hat», hält er fest. Und weist auch darauf hin, dass die Bearbeitung der Patientenakten aufwändig sein kann: «Manches liegt auf Papier vor, anderes in Dateiform. Es kostet Zeit, alles so aufzubereiten, dass man es per E-Mail verschicken kann.» Die Geschäftsführerin der SPO empfiehlt, sich bei Schwierigkeiten an den Kantonsärztlichen Dienst zu wenden, an die kantonale Datenschutzbehörde oder an eine Parientenorganisationen wie die SPO.
Es gibt noch weitere Möglichkeiten
Stefan Wettstein, Praxismanager beim Augenzentrum Zug, erinnert sich gerne an die verstorbene Hürlimann: «Das war eine ganz Herzliche.» Doch durch ihren Tod war das Augenzentrum anfangs vor einige Herausforderungen gestellt. Es befindet sich eine Etage unter der Praxis Hürlimann. So kamen die verunsicherten Patienten in Scharen an den Empfang – wo ihnen niemand helfen konnte. «Wegen dem im Kanton Zug durch den Regierungsrat verordneten Ärztestopp können wir keine weiteren Patienten aufnehmen, wir haben schon sechs Monate Wartezeit», sagt Wettstein.
Doch er hat noch einen guten Tipp für die ehemaligen Patienten der Praxis Hürlimann: «Die wichtigsten Teile eines Dossiers sind die OP-Berichte und die Diagnose-Listen. Beides kann der Patient auch dort abrufen, wo operiert worden ist. Meistens ist das im Luzerner Kantonsspital.»